Wie war es in der DDR?
oder:
Was ist eigentlich - Sozialismus und Kommunismus?
Der einzige Zweck dieser Webseite ist die Verbreitung eines pdf-Dokuments mit diesem Titel
Ich bin Physiker im Ruhestand und habe dieses Dokument (knapp 40 Seiten im A5-Format) ursprünglich für meine Kinder geschrieben, die schon gar nicht mehr genau wissen, wie es damals in der DDR überhaupt war. Ich habe es auch für heutige Kapitalismus-Kritiker geschrieben, deren Kritik ich gar nicht infrage stelle, die jedoch wieder von "Sozialismus" reden, ohne genau zu wissen, was diese Gesellschaftsform alles implizieren muss, um zu funktionieren.
Dieses Dokument enthält folgende Kapitel:
Vorwort
1. Wovon reden wir eigentlich?
2. Die Machtfrage
3. Schwierigkeiten mit der Wahrheit
4. Das Problem mit der Arbeitsproduktivität
5. Der Proletenkult
6. Die persönliche Freiheit
7. Die sieben Wunder der DDR
8. Epilog
Mit dem oben stehenden Link können Sie sich dieses Dokument als pdf herunterladen. Ich versichere Ihnen bei meiner Ehre, dass Sie sich damit keine Schadsoftware herunterladen. Wenn Sie dieses pdf im Acrobat Reader mit der Option "Broschüre" auf A4-Papier beidseitig ausdrucken, dann können Sie die Seiten mit Zwirn oder mit Hilfe eines Langarm-Heftgeräts in ein handliches Büchlein verwandeln.
Sollte ich mich in einigen Dingen geirrt haben, oder sollten noch wichtige Teile in der Darstellung fehlen, dann bin ich für Hinweise in einer Mail an "[email protected]" dankbar.
Diese Webseite hat keine kommerziellen Interessen.
Otwin Breitenstein.
Leseproben
Vorwort
Die sogenannte „Wende“, also das Ende der DDR und die Aufnahme dieses Landes in die Bundesrepublik Deutschland, ist nun 30 Jahre her. Viele, die die DDR bewusst miterlebt haben, leben noch. Aber das wird nicht ewig so bleiben. Schon jetzt haben viele junge Leute, selbst die auf dem Gebiet der ehemaligen DDR wohnen, nur eine ungefähre Ahnung davon, wie es hier vor der Wende gewesen ist, und vor allem, warum das alles so gewesen und geworden ist. In diesem Büchlein soll dieser Frage nachgegangen werden. Es wird sich zeigen, dass trotz der vielen Sinnlosigkeiten, die wir alle noch erlebt haben, alles doch in sich einigermaßen verständlich war und unter diesen Umständen gar nicht viel anders hätte passieren können. Genauso folgerichtig war das Ende der DDR und der anderen sozialistischen Staaten, und man kann auch verstehen, warum dieses Ende so lange gebraucht hat. Ich hoffe, dass ich diese und andere Fragen zu diesem Thema einigermaßen unterhaltsam abhandeln kann und damit etwas zum Politikverständnis der jüngeren Generation, und damit auch meiner Kinder und Enkel, beitragen kann. Deshalb erkläre ich hier einige Dinge, die ein gebildeter Mensch eigentlich weiß. Ich schrieb dieses Büchlein auch für heutige Kapitalismus-Kritiker, die schon wieder von Sozialismus reden und dabei keine Ahnung haben, was sie sich damit einhandeln würden.
Ich bin von Beruf weder Historiker noch Politwissenschaftler, auch kein Schriftsteller, sondern Physiker. Mein ganzes Leben lang habe ich auf dem Gebiet der Halbleiterphysik geforscht, die letzten 30 Jahre vor allem zur Optimierung von Solarzellen. In dieser Zeit habe ich oft erlebt, dass allgemein akzeptierte Theorien sich als falsch erwiesen haben und durch neue Ansätze und Ideen ersetzt werden mussten. Das heißt, ich habe mich daran gewöhnt, keine Theorie als ein für alle Mal gültig anzusehen, sondern immer damit zu rechnen, dass alles, woran wir glauben und was alle Welt sagt, genauso gut auch falsch sein könnte. Nun ist es in der Physik relativ einfach, zu beweisen, dass eine Theorie falsch ist. Man muss nur wenigstens ein Experiment vorführen, das dieser Theorie klar widerspricht. In den Gesellschaftswissenschaften ist das komplizierter. Da dauern die Experimente ungleich länger (das mit der DDR hat 40 Jahre gedauert), und alle Ergebnisse können immer noch unterschiedlich interpretiert werden. Insofern ist die Gesellschaftswissenschaft keine exakte Wissenschaft wie die Naturwissenschaften. Wie wir in Kapitel „1. Wovon reden wir eigentlich?“ sehen werden, haben sich die Ideologen in der DDR und der Sowjetunion viel Mühe gegeben, ihrer Gesellschaftstheorie einen wissenschaftlichen Anstrich zu geben. Aber letztlich war es doch nur eine Ideologie, also im Grunde eine Religion, wie wir noch sehen werden. Die Frage aus heutiger Sicht ist, warum sich dieses System dann trotzdem so lange gehalten hat. Dieser Frage ist das Kapitel „2. Die Machtfrage“ gewidmet.
Ich werde die verschiedenen Aspekte meines Themas in lockerer Folge versuchen zu beleuchten und hoffe, dass es dabei nicht zu allzu vielen Wiederholungen kommt. Ganz werden die sich nicht vermeiden lassen. Ich konzentriere mich hier allein auf die Zustände in der DDR, weil ich die hautnah erlebt habe und die DDR, meiner Meinung nach, ein typisches Beispiel für den „real existierenden Sozialismus“ war. Ich würde sogar so weit gehen zu sagen: Viel besser als in der DDR hat man den Sozialismus nicht machen können. Auch in Ungarn und der CSSR haben sie sich alle Mühe damit gegeben. Die Lebensbedingungen waren dort durchaus erträglich (im Gegensatz z.B. zu Rumänien) und in einigen Aspekten sogar besser als bei uns (es gab mehr zu kaufen und die Bürger durften reisen, wenn sie das Geld dazu hatten), aber die wesentlichen Merkmale dieser Gesellschaften waren auch dort die gleichen wie bei uns in der DDR. Ich werde in den Text eigene Erfahrungen und auch einige politische Witze aus der DDR einfließen lassen. In jeder Diktatur, in der die Bürger nicht offen ihre Meinung sagen dürfen, kommt es unvermeidlich zu politischen Witzen, die heimlich kursieren. Das war schon bei den Nazis so, und das war auch in allen sozialistischen Ländern so. Mit der Wende hat das Aufkommen politischer Witze schlagartig aufgehört, weil man von da an praktisch alles sagen durfte. Die politischen Witze der DDR werfen ein bezeichnendes Schlaglicht auf die Verhältnisse in der DDR und dürfen deshalb in einem Büchlein wie diesem nicht fehlen. Wir haben damals auch die Verhältnisse nur mit Humor und Sarkasmus ertragen: „Die Lage ist hoffnungslos, aber nicht ernst.“
Natürlich ist diese Schrift vor allem durch meine persönlichen Erfahrungen geprägt. Ich habe jedoch als Referenzen eine Anzahl von Links angegeben, wo man einige Fakten näher nachlesen kann. Sollte ich mich in einigen Dingen geirrt haben, oder sollten noch wichtige Teile in der Darstellung fehlen, dann bin ich für Hinweise unter [email protected] dankbar. Wenn Sie diesen Text im Acrobat Reader mit der Option „Broschüre“ auf A4-Papier beidseitig ausdrucken und innen zusammenheften, haben sie ein handliches Büchlein.
8. Epilog
Der „real existierende Sozialismus“ sowjetischer Prägung mit diktatorischer Herrschaft einer Partei, Mangelwirtschaft und Einschränkung der persönlichen Freiheit wird von vielen Sozialisten, sowohl in Ost als auch in West, als Perversion der eigentlich guten Idee des Sozialismus angesehen. Ich will in diesem Büchlein zeigen, dass diese „Perversion“ systemimmanent ist, dass es also gar nicht anders geht. Sicher kann man innerhalb einer relativ kleinen abgeschlossenen Kommune von gutwilligen Menschen sozialistische Verhältnisse ohne die Dominanz der Geldwirtschaft für eine gewisse Zeit realisieren, solche Beispiele hat es gegeben. Aber wenn man dieses sozialistische Experiment in einem ganzen Land realisieren will, dann kommt man früher oder später um eine Diktatur nicht herum. Diese Erkenntnis hatten natürlich schon andere, z. B. Karl Popper in „Das Elend des Historizismus“, Wolf Biermann ganz am Ende seiner Autobiographie, und viele andere. Es ist eben das Eine, existierende Produktionsmittel den bisherigen Besitzern wegzunehmen und sie „dem Volk“ zu geben, d.h. bestehenden Reichtum zu verteilen. Aber es ist das Andere und weitaus Schwierigere, diese Produktionsmittel dann dauerhaft zu betreiben und weiterzuentwickeln, um technologisch und ökonomisch mit der umgebenden kapitalistischen Welt mitzuhalten. Die Herausforderung ist, nicht nur von der Substanz zu leben, sondern den Reichtum zu erhalten und zu vermehren, und dazu ist der Sozialismus einfach weniger gut geeignet. Die Hoffnung der Sozialisten, dass sich die Technologie im Sozialismus eher noch schneller als im Kapitalismus weiterentwickeln könnte, hat sich aus den in unserem Kapitel „4. Das Problem mit der Arbeitsproduktivität“ dargelegten Gründen (Stichwort: System der organisierten Verantwortungslosigkeit) als Irrtum erwiesen. Das haben alle Sozialismus-Versuche gezeigt, auch die in Kuba, Venezuela und Nicaragua, wo die Mehrheit der Menschen am Anfang noch hinter dem System stand. In Jugoslawien hat man eine Synthese aus Sozialismus und Kapitalismus versucht, so wie es heute auch wieder diskutiert wird, die am Anfang auch gut funktioniert hatte. Aber am Ende ist auch dieses Land an seiner ökonomischen Unfähigkeit zugrunde gegangen. Ich hoffe, in diesem Büchlein gezeigt zu haben, dass es eben keinen alternativen (demokratischen) Sozialismus geben kann, so lange man unter Sozialismus die weitgehende Vergesellschaftung der Produktion nach Karl Marx meint.
Ich habe mich immer gefragt, ob denn unsere Führer und ihre SED-Ideologen wirklich von „der Sache“ des Kommunismus überzeugt waren, oder ob sie diese Überzeugung nur geheuchelt haben, damit sie weiter auf der Gewinner-Seite dieses Staats stehen, siehe auch der Witz auf S. 22. Inzwischen denke ich, dass viele, z.B. unsere allerhöchsten Führer Erich Honecker und Egon Krenz, schon davon überzeugt waren. Das zeigen die vielen Interviews von Frau Honecker nach der Wende und das auf S. 11 erwähnte Interview von Egon Krenz. Diese hielten es vermutlich für unmoralisch, von ihrer einmal gefassten kommunistischen Überzeugung abzuweichen, auch wenn besseres Wissen dagegensprach. Sie waren eben keine Naturwissenschaftler, für die es normal ist, dass sie sich auch irren können, siehe unser Vorwort. Diese Leute gehörten dann offensichtlich zur dritten Gruppe in dem erwähnten Witz. Ihnen ging es ja auch gut im Kommunismus. Im Hinblick auf die SED-Politik auf dem Lande in der DDR hat Dr. Jens Schöne in seinem Vortrag zum 29. Bautzen-Forum der Friedrich-Ebert-Stiftung (Dokumentation erhältlich unter www.fes.de) sehr treffend geschrieben: "Dass die kommunistischen Spitzenfunktionäre der DDR an die Allmacht ihrer Ideologie ohne den geringsten Zweifel glaubten, zeigt allein schon der Umstand, mit welcher Entschlossenheit sie die dortigen Forderungen in die Tat umsetzten und dabei nicht nur jegliche Einwände der Fachleute ignorierten, sondern fast bis zum eigenen Untergang an den dogmatischen Lehrsätzen festhielten. ... Wenn man nur fest genug an die Überlegenheit des sozialistischen Modells glaubte, spielte die Realität nur noch eine untergeordnete Rolle. ... Der Glaube, objektiven Entwicklungsgesetzen zu unterliegen, die in jedem Fall den Sieg des Sozialismus erzwingen würden, enthob die Verantwortlichen nämlich der Notwendigkeit, Fehlentwicklungen als solche wahrzunehmen. Schuld an Ernteausfällen, Viehsterben und finanziellen Desastern waren somit immer Klassenfeinde oder mangelnder revolutionärer Eifer, nicht jedoch der eingeschlagene Kurs." Diese Einstellung, die schon in den Kapiteln "1. Wovon reden wir eigentlich?" und "3. Schwierigkeiten mit der Wahrheit" erwähnt wurde, kann nicht anders als religiös genannt werden, obwohl doch der Kommunismus angeblich als atheistisch gilt (Lenin: Religion ist Opium für das Volk). Den Ausschließlichkeitsanspruch und die Intoleranz gegenüber anderen Religionen hat der Kommunismus aber offenbar mit den meisten anderen Religionen gemeinsam (siehe Erstes Gebot: Du sollst keine anderen Götter haben neben mir).
Viele höhere SED-Chargen, die die ökonomische Unterlegenheit des sozialistischen Systems erkannt hatten, werden sich auch gesagt haben: Wenn wir schon auf dem falschen Dampfer sitzen, dann wollen wir wenigstens Luxusklasse reisen. Andere dagegen sind vielleicht noch mit Überzeugung in die Partei eingetreten, sind aber dann durch die eklatanten Widersprüche zwischen Theorie und Wirklichkeit frustriert worden, siehe die vielen Frustbriefe von SED-Mitgliedern in dem auf S. 14 erwähnten Buch „Volkes Stimmen“. Diese gehörten dann zur zweiten Gruppe in dem Witz auf S. 22.
Man muss sich fragen, warum über so viele Jahrzehnte sehr viele, darunter auch durchaus moralisch integre, Menschen aktiv an der SED-Herrschaft in der DDR mitgearbeitet oder zumindest die Idee des Sozialismus vertreten haben und dadurch, bewusst oder unbewusst, an offensichtlichem Unrecht gegen andere Menschen mit schuldig geworden sind. Das hängt mit dem Sendungsbewusstsein dieser Ideologie als Heilslehre zusammen. Diese Menschen haben sich wohl gesagt: Das Ziel des Sozialismus oder Kommunismus („die Sache“, wie es immer hieß), also „die gerechteste aller Gesellschaftsordnungen“, ist moralisch so ehrenwert, dass einzelne Menschen (!) dafür auch mal (!) gefühltes Unrecht ertragen müssen, wenn das denn im Interesse der großen Mehrheit ist. Die Kommunisten nahmen für sich das Recht in Anspruch, die Bürger zu ihrem „Glück“ zu zwingen. Die moralische Rechtfertigung der Sozialisten und Kommunisten war also: „Der Zweck heiligt die Mittel.“ Aber das tut er nicht, Unrecht bleibt immer Unrecht, egal in welchem Namen es verübt wird.
Aber seit 1989/1990 ist das ja nun alles vorbei, dafür haben wir jetzt andere Probleme. Es gibt jetzt so etwas wie Ostalgie, bei der sich manche Leute an die größere soziale Sicherheit und Nähe der Menschen untereinander von früher zurücksehnen. Dabei vergessen sie oft all die Sinnlosigkeiten und Ungerechtigkeiten, mit denen wir es in der DDR zu tun hatten. Es gibt auch immer mehr wohlmeinende Kapitalismus-Kritiker, die wieder von Sozialismus reden. Ich will deren Kritik gar nicht infrage stellen, ich will nur darauf hinweisen, dass der Sozialismus mit der Verstaatlichung der Produktion nach Marx nicht die Lösung dieses Problems sein kann. Wenn dieses Büchlein mit dazu beiträgt, ein realistischeres Bild von der ehemaligen DDR und damit vom Sozialismus als Gesellschaftssystem zu zeichnen, dann hat es seinen Zweck erfüllt.
Die Quintessenz dieses Büchleins ist folgende: Der Sozialismus führt zwar zweifellos zu mehr Verteilungsgerechtigkeit, aber dafür geht auf die Dauer die Gesellschaft als Ganzes wegen zu geringer Produktivität und deren notwendigen Folgen (Mangelwirtschaft und Unfreiheit) vor die Hunde.
Witz: Anfrage an Sender Jerewan: Könnte es sein, dass die Schweiz sozialistisch wird? Antwort: Im Prinzip ja, aber schade um das schöne Land.
Witz: Was passiert, wenn die Wüste Sahara sozialistisch wird? Dann ist nach 10 Jahren der Sand alle.